Ein Bericht von Petra Bail, erschienen in der Esslinger Zeitung vom 5. Februar 2021:

Auch Pferde können arbeitslos werden

Wo sonst reger Betrieb herrscht, ist derzeit tote Hose. Die Stallgassen sind wie leer gefegt. Die Pferde in ihren Boxen lassen traurig die Köpfe hängen. Corona trifft alle – auch Tiere. Das wird im Reitverein Reichenbach/Fils – Hochdorf überdeutlich. Die neun Schulpferde sind seit Monaten arbeitslos. Das wirkt sich aus. Nicht nur auf das sensible Gemüt der Tiere, sondern auch auf die Finanzen des Vereins, der im kommenden Jahr seinen 90. Geburtstag feiern kann. Hoffentlich, denn momentan gibt es keinen Grund zum Jubeln.

Der Vorsitzende Herbert Beiter schildert die prekäre Lage. Die Haupteinnahmequelle, der Reitunterricht fällt flach. Damit fehlten 100000 Euro im Jahr. Die Fixkosten von 7000 bis 8000 Euro pro Monat müssten dennoch bestritten werden. Die Tiere brauchen Futter und Wasser. Zudem wollen Hufschmied, Tierarzt, Pfleger und Aufsichtspersonal ihre Honorare.

Auf dem weitläufigen Gelände gilt ein strenges Hygienekonzept. Überall hängen Schilder, die auf die Maskenpflicht, Abstandsregeln und Desinfektion hinweisen. Die Pferde seien anfangs irritiert gewesen, erzählt Beiter. Inzwischen hätten sich die Tiere an ihre vermummten Reiter gewöhnt. Woran sie sich nicht gewöhnen, sei die mangelnde Abwechslung. Beiter zieht Vergleiche mit Kindern heran: ohne Anreiz stumpften Mensch und Tier ab. Die Pferde würden lethargisch oder bockig und aggressiv, stellten die Reiter fest. Die vier Ponys und fünf Großpferde seien normalerweise zwei bis drei Stunden täglich im Einsatz. Jetzt erlaube das zuständige Ordnungsamt in Hochdorf lediglich ein „notwendiges Bewegungsprogramm“. In einer 800 Quadratmeter großen Halle waren anfangs sogar nur zwei Pferde mit Reitern erlaubt. Seit Anfang Januar seien es immerhin vier. Herbert Beiter spricht von einem riesigen Problem bei insgesamt 40 Pferden auf der Anlage, da die Außenplätze und das Gelände wegen des Wetters tabu seien. Die Unfallgefahr wäre zu hoch, betont der Vorsitzende, der im Reitunterricht einen wesentlichen Beitrag sieht, um Verletzungen zu vermeiden.

40 Einstellpferde und Schulpferde gleichermaßen zu bewegen, sei eine organisatorische Meisterleistung, die mit dem eigens eingeführten Online-Buchungssystem aber gelinge. Die Zeiten seien strikt getaktet: maximal eine Stunde pro Tier am Tag sei erlaubt. Pro Pferd dürfe täglich eine Person zur Versorgung und um das Tier zu bewegen auf die Anlage. Das werde auf einer Anwesenheitsliste an jeder Box dokumentiert. Besucher müssen leider vorerst draußen bleiben. Das Kasino ist geschlossen. Einnahmeverluste auf der ganzen Linie: Das traditionelle Reitturnier im vergangenen September musste ebenso abgesagt werden, wie zahlreiche Feste und Veranstaltungen, die zahlendes Publikum anlocken.

Vor Corona hatte der Reitverein 224 Mitglieder. Herbert Beiter weiß allein von zwei Kündigungen in der vergangenen Woche. Grund: fehlender Reitunterricht. Das alles treffe den Verein bis ins Mark, unterstreicht der Vorsitzende und prangert die Wettbewerbsverzerrung zu Vereinen aus der Region an, wo der Handlungsspielraum seiner Ansicht nach offenbar größer sei. So spare man, wo man kann. Renate Beiter, die stellvertretende Vorsitzende, knipst konsequent das Licht aus, wo es nicht benötigt werde. Räume, die nicht benutzt würden, blieben ungeheizt. Bislang sei der Reitverein mit einer Überbrückungshilfe im vergangenen Jahr einigermaßen über die Runden gekommen . Das habe kurzfristig geholfen, sei aber schnell verpufft.

Die Anlage stehe glücklicherweise auf vereinseigenem Gelände und die Pensionspferde spülten auch Geld in die Kasse. Die Schulpferde würden unter Einhaltung der Abstandsregeln von fortgeschrittenen Schülern bewegt, unter Aufsicht eines der insgesamt drei Reitlehrer. Für Jungen und Mädchen ohne Präsenzunterricht und sonstigen Ablenkungen sei das oft der Höhepunkt der ganzen Woche.

Schlechter sehe es bei den Turnierreitern aus. „Wir sind sprunglastig strukturiert“, sagt Beiter. Trabstangen könnten wegen der momentanen Verhältnisse derzeit nicht aufgestellt werden. Das sorge für Unzufriedenheit bei Reiter und Pferd. Der Reiter könne nicht trainieren. Dem Pferd fehle die Abwechslung. Dabei hoffen alle, dass Turniere, ähnlich wie im vergangenen Sommer, wieder stattfinden. Schwer einzuordnen sei die wirtschaftliche Perspektive. „Worst case ist die schrittweise Reduzierung der Schulpferde“, so der Vorsitzende, der natürlich hofft, dass keines der Tiere verkauft werden muss. Letztlich sei man glücklich, dass bislang keine Infektion auf der Reitanlage aufgetreten sei und man die Herausforderungen dieser Zeit als Gemeinschaft so weit gemeistert habe. (Petra Bail)

Über eine Spende (ob klein oder groß) zur Finanzierung unserer Schulpferde bei den coronabedingten Einnahmeausfällen würden wir uns ungemein freuen.

Bankverbindung:

Reitverein Reichenbach/Fils-Hochdorf e.V

Volksbank Plochingen IBAN: DE92 6119 1310 0638 6560 01, BIC: GENODES1VBP, 

Betreff: Spende